Wir leben in einer Welt, in der 80 bis 90 Prozent aller Informationen mit den Augen erfasst werden. Vieles, was für sehende Menschen selbstverständlicher Tagesablauf ist, können Blinde nur mit fremder Hilfe und speziellen Hilfsmitteln bewältigen. So brauchen sie Hilfe beim morgendlichen Ankleiden, bei der Körperpflege und bei der Essensvorbereitung. Sie brauchen Hilfe beim Einkaufen, beim Arztbesuch oder für hauswirtschaftliche Verrichtungen. Sie brauchen einen Helfer zum Vorlesen der Tageszeitung, der Post oder ihrer sonstigen Unterlagen.

Wenn Blinde ein eigenständiges, selbstbestimmtes Leben führen wollen, müssen sie für Hilfsmittel und Güter des täglichen Bedarfs bis zum 20 fachen des Normalpreises bezahlen. Für diesen erheblichen finanziellen Mehraufwand wurde 1963 das Landesblindengeld in Niedersachsen unter dem damaligen SPD-Ministerpräsidenten Dr. Georg Diederichs eingeführt.

In den vergangenen Jahrzehnten war die Behindertenpolitik darauf ausgerichtet, behinderten Menschen eine eigenständige und gleichberechtigte Lebensführung zu ermöglichen.

Seit der Regierungsübernahme durch CDU und FDP unter Ministerpräsident Wulff und Sozialministerin von der Leyen findet in der Behindertenpolitik des Landes Niedersachsen ein radikaler Paradigmenwechsel statt. Die gleichberechtigte Teilhabe von behinderten Menschen wird zunehmend ersetzt durch das Fürsorge- und Almosenprinzip früherer Zeiten.

2004 wurde das Landesblindengeld um 20 Prozent auf 409 Euro (Pflegestufe 2) gesenkt und den Blinden versprochen, dass mit dieser Vorleistung das Blindengeld in den nächsten Jahren nicht mehr angetastet würde. Mit dem Haushaltsplan 2005 erfolgte dann jedoch ein in der Geschichte der Bundesrepublik bisher einmaliger und unfassbarer Schlag gegen blinde Menschen in diesem Land. Das Landesblindengeld wurde für alle Menschen ab dem vollendeten 28. Lebensjahr ersatzlos gestrichen.

Mit der Entscheidung der CDU/FDP Landesregierung wird Niedersachsen zum bundesweit ersten schwarzen Fleck für Behinderte und Schlusslicht in der Sozialpolitik. Das alte Sprichwort "Blindheit ist die Mutter der Armut" bekommt wieder Aktualität.

Anspruch auf Blindenhilfe nach dem Sozialhilferecht haben Blinde erst, wenn ihr Vermögen 2.600 Euro nicht überschreitet. Für diesen Betrag bekommt man in Deutschland kaum eine Beerdigung. Das heißt, Blinde können nichts mehr ansparen, keine Rücklagen für größere Anschaffungen bilden oder einen Notgroschen zurücklegen. Bei den Vermögensgrenzen werden sie schlechter behandelt als Leistungsempfänger nach Hartz IV.

Mit dem sozialpolitisch eiskalten Vorgehen wurde ein Tor aufgestoßen, um weitere Kürzungen in der Behindertenpolitik durchzusetzen. So plant die Landesregierung nächstes Jahr in der Behindertenhilfe weitere 50 Millionen Euro zu kürzen.